Diese CD
umfasst drei große tschechische Meister: SMETANA, DVORÁK
und SUK. Fünfzig Jahre trennen den ersten, SMETANA (geboren 1824) vom
dritten, SUK (geboren 1874), aber alle drei Komponisten gehören der
romantischen Welt an. Zwischen ihnen existiert eine wirkliche
Verbindung: der junge DVORÁK (geboren 1841)
spielte als Altist unter der Leitung von SMETANA am provisorischen
Theater von Prag, SUK war der Schüler von DVORÁK
in der Kompositionsklasse am Prager Konservatorium und heiratete
später seine Tochter Otilia (der Vorname der Heldin in Goethes
Wahlverwandschaften).
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Bedřich
SMETANA (1824-1884) war der Sohn
eines Brauers und Amateurgeigers und zeigte seit seiner Kindheit
außergewöhnliche Begabung für die Musik. Er studierte zunächst
Klavier, bevor er als Musiklehrer beim Fürsten von Thun arbeitete. Bei
dieser Gelegenheit machte er die Bekanntschaft von Liszt und Clara
Schumann. Während den umwerfenden Ereignissen 1848 in Europa wird
SMETANA zu einem leidenschaftlichen Patriot und gründet eine private
tschechische Schule. Als der junge Kaiser Franz-Joseph an die Macht
kommt, ist das tschechische Volk bereit ihm zu vertrauen, da man ihn
liberaler als seine Vorgänger einschätzt und SMETANA widmet ihm eine
"Triumphale Symphonie". Aber er ist rasch enttäuscht, verlässt sein
Geburtsland und geht nach Schweden. Dort beginnt für ihn eine sehr
schwere Zeit: er verliert aufeinanderfolgend seine drei Töchter und
seine Frau. Diese Familientragödie treibt ihn zu der Rückkehr nach
Prag an. Dort hat er Erfolg mit einer zum ersten Mal in tschechischer
Sprache geschriebenen Oper, Die Brandenburger in Böhmen (1863),
ebenfalls mit der Verkauften Braut (1866). Ein neues Unglück
trifft den Komponisten: er verliert das Gehör, was ihn aber nicht
daran hindert den Zyklus Mein Vaterland, aus sechs
symphonischen Dichtungen bestehend, zu schreiben. Die bekannteste ist
Die Moldau. Es ist sicher die selbe patriotische Ader die die
Zwei Duette für Geige und Klavier "Aus der Heimat" ("Z domoviný") entstehen
lässt: ein Auftrag des Hamburger Verlegers Hugo Pohle 1880. Die Stücke
wurden von SMETANA wieder vom Verleger zurückgezogen, da dieser das
Werk unter einem deutschen Titel veröffentlichen wollte. Sie wurden
mit Widmung dem Prinzen von Thun zugesandt. Als Dank schickte der
Prinz eine Tabaksdose aus Elfenbein. Aus einfachen Melodien bestehend,
abwechselnd melankolisch oder aufgeregt, zwischen folklorischen
Romanzen und typischen tschechischen Tänzen wechselnd (wie die skockná
im schnellen Rhythmus) zeigen die beiden Duette das kommende Ende des
Komponisten an: sehr depressiv geworden, wurde er in eine Irrenanstalt
in Prag eingeliefert. Dort starb er 1884.
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Anton DVOŘÁK
(1841-1904) Sohn eines Gastwirtes, verlässt die Schule mit elf Jahren,
um den Beruf seines Vaters zu erlernen. Aber dieser bemerkt sehr früh
die musikalischen Fähigkeiten seines Sohnes und schickt ihn 1853 zu
einem Onkel nach Zlonice,
wo er Deutsch lernt, die dort zu dem Zeitpunkt vorherrschende Sprache
der ungarisch-österreichischen Verwaltung. Der junge DVORÁK
verbessert in der kleinen Stadt ebenfalls seine musikalische
Ausbildung. Er verfolgt seine Studien in Kamenice und wird 1857 an der
Orgelschule von Prag aufgenommen. Dort erhält er eine solide
Ausbildung (Geige, Bratsche, Klavier und Komposition). Er tritt in das
Prager Nationaltheater ein und fängt bald an zu komponieren. DVORÁK
erfährt seinen ersten Erfolg mit der Kantate Hymnus 1873 und er
erhält den Organistenplatz an der Sankt-Aldebert Kirche. 1874
befreundet er sich mit Brahms in Wien, welcher ihm sehr behilflich ist
bei der Vertreibung seiner Musik. Durch das Stabat Mater und
verschiedene symphonische Werke und Gesangsmusik, eine Reihe von
wunderbarer Kammermusik (Sonaten, 4 Trios mit Klavier, 14
Streichquartette, 2 Klavierquartette, 5 Quintette, 1 Streichsextett)
wird DVORÁK von nun ab berühmt. Er macht
mehrere Auslandsreisen, bleibt aber sehr Prag und dem damals
herrschenden nationalem Geist verbunden. Sein Ruf wird immer größer
und von 1892 bis 1895 unterrichtet er in Amerika, wo er seine berühmte
9. Symphonie Die neue Welt komponiert (wobei man nicht seine
acht anderen genialen Symphonien vergessen darf). Nach seiner Rückkehr
in Böhmen, wo er das Landleben genießt, komponiert er mehrere
symphonische Dichtungen und widmet sich hauptsächlich der Oper. Die
bekannteste bleibt Rusalka, 1901 geschrieben. Das Werk DVORÁKs
ist gewaltig und variiert. Seine Musik ist inspiriert, farbenfroh und
warmherzig, oft von rhythmischer tschechischer Folklore bewegt, aber
sie ist immer von einer förmlichen Arbeit und künstlerischen
Vorbereitungen auf höchstem Niveau beherrscht.
Die Vier
romantischen Stücke op.75 – zwischen dem 20. und 25. Januar 1887
geschrieben – sind die Transponierungen für Geige und Klavier der
Vier Miniaturen, die DVORÁK für zwei Geigen
und Bratsche komponiert hat. Diese Stücke entstanden ebenfalls im
selben Monat Januar nach dem Trio op.74, das DVORÁK
für den Chemiestudenten und Amateurgeiger Josef Kruis schrieb, der im
selben Haus wie er wohnte. Diese kleine Freundesgruppe bestand aus
Kruis, einer seiner Bekanntschaften spielte auch Geige und DVORÁK
selbst übernahm die Bratschenpartie. Das Trio entpuppte sich
als zu schwer für die beiden Amateure und um Kruis zu trösten, schrieb
DVORÁK die Miniaturen. Die Vier
Stücke sind ein wunderbares lyrisches Juwel und leichter
auszuführen, aber das zweite Stück, rascher als die anderen, gab dem
unglücklichen Kruis immer noch Probleme! Die Bearbeitung für Geige und
Klavier hatte nach ihrer Veröffentlichung einen großen Erfolg.
Die
Romanze op.11 für Geige und Klavier entstand 1873. In ihr finden
wir thematische Elemente aus dem Andante con moto des
fünften Streichquartetts. Lyrisch und lieblich, ist es das Werk
eines dreißigjährigen Musikers, heiter und entspannt. Man findet alles
was die Kraft und den Charme DVORÁKs ausmacht:
reicher Glanz in der Melodie, die die großzügige Natur DVORÁKs
widerspiegelt, das Lebensglück ohne Beängstigung, welche so oft die
Romantiker befiel. Die Romanze op.11 wurde 1876 in einer
Orchesterversion veröffentlicht.
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Die
Humoresque ist das siebte Stück eines Zyklusses von acht
Stücken für Klavier (op.101), 1894 komponiert und Neue schottische
Tänze benannt (bevor es den endgültigen Titel Humoresque
bekam). Gerade aus Amerika zurückkommend, weit von der Stadt entfernt
und im Herzen der bezaubernden Natur von Vysoká im Süden Prags, lässt
Dvorak seine Erinnerungen und Einbildungskraft sprechen: er findet
den Rhythmus und die Melodie des amerikanischen Volksliedes Old
folks at home wieder und verbindet im selben Stück zwei Welten, an
die er eng verbunden ist: die amerikanische und die tschechische. Die
Humoresque wird ein Welterfolg und wird sehr häufig arrangiert.
Man sagt, nach dem der junge George Gershwin das Stück gehört hatte
und sehr erschüttert von ihm war, daß er sich entschlossen hat,
Komponist zu werden. Der Filmemacher Jean Negulesco, angeregt von dem
Roman Humoresque von Fanny Hurst, drehte unter dem selben Namen
1946 einen Film, die tragische Geschichte eines Geigers, der sich in
eine Dame von Welt verliebt (mit John Garfield und Joan Crawford).
Franz Waxman (Autor der schwierigen Variationen über Carmen, Carmen
Fantasy, allen Geigern gut bekannt), realisiert für den Film ein
Arrangement des Stückes von DVORÁK, welches von
Isaac Stern gespielt wird. Man erkennt noch mehr die Berühmtheit
dieser Musik, wenn man erfährt, daß sie die einzige zitierte Musik in
dem Roman Doktor Faustus von Thomas Mann ist.

(siehe Bild oben:
Plakat und Photos vom Film "Humoresque"
von Jean NEGULESCO)
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Josef SUK (1874-1935) kommt
aus Krecovice, eine
kleine Stadt im Distrikt Sedlcany im Süden
Böhmens. Er ist ein frühreifer Musiker: er lernt mit vier Jahren
Geige, gibt mit acht Jahren ein unvergessliches Konzert im Restaurant
„Zur goldenen Krone“ in Sedlcany (das Museum
dieser kleinen Stadt bewahrt zur Erinnerung seine erste Geige auf);
mit 11 Jahren geht er auf das Konservatorium in Prag. SUK führt sehr
früh eine doppelte Karriere als Geiger (als zweiter Geiger in dem
berühmten "tschechischen Quartett", mit dem er mehr als 4000 Konzerte
gibt) und als Komponist. Der Einfluss DVORÁKs
ist offensichtlich in seinen Jugendkompositionen wie die Serenade
für Streicher (1892), die symphonische Dichtung Praha,
Sommereindrücke oder das Scherzo Fantastique. Nach dem Tod
seiner Frau die an Tuberkulose 1905 starb, ein Jahr später nach dem
Tod seines Schwiegervaters DVORÁK, den er sehr
mochte und verehrte, entwickelte SUK jedoch eine dunklere musikalische
Wahrnehmung, fast "mahlerisch", was zum Beispiel die Symphonie
Asrael bezeugt. Das Werk SUKs, das bis dahin von einfacher
Schreibweise war, entwickelt sich zu außergewöhnlicher polyphonischer
und rhythmischer Vielfalt, zeitweilig fast atonal. 1922 wurde SUK,
berühmt geworden, zum Professor am Konservatorium von Prag ernannt,
später wird er dort Rektor. Sein Enkelkind Josef SUK (den gleichen
Namen tragend), ist einer der Geiger, die das XXste Jahrhundert
geprägt haben. Er stammt aus der selben Generation und "Geschlecht"
wie Oistrakh, Menuhin, Kogan, Stern und Grumiaux.
Die Kammermusik von SUK entkommt nicht der Trennung
der beiden Perioden seines Lebens: vor und nach dem Juli 1905 (Tod von
Otilia). Es ist der Melodienschreiber, Poetensänger der Natur und der
Liebe, der sie leben lässt: das Klavierquartett op.1, das
Trio op.2, das Klavierquintett op.8, die Balladen, das erste
Streichquartett op.11 und die Vier Stücke für Geige und Klavier
op.17. Das zweite Streichquartett op.31, wie das strenge
Quartett op.35 "Meditation", beide nach 1905 entstanden, zeigen
dagegen viel mehr Dunkelheit. Nur beim seltsamen Sousedska
(eine Art Walzer) für 5 Geigen, Kontrabaß und Schlagzeug findet SUK am
Ende seines Lebens noch einmal eine Spur des Lächelns.
Die Vier Stücke für Geige und Klavier op.17
entstanden 1900, sie zählen mit zu den schönsten Werken in dieser
Formation. Die beiden Instrumente werden völlig gleichwertig
behandelt. Trotz ihrer Brillanz und Lebhaftigkeit sind die Stücke
wenig bekannt und werden selten im Konzert gespielt. Sie bestehen aus
einem poetischen Rezitativ "Quasi una ballata", einem
durchschlagenden, kräftigem "Appassionato vivace", ein zereissendes "Un
poco triste" und schließt mit einer blendenden "Burlesque".
Übersetzung:
Cornelia REICH
Le
concert faisant l’objet de cette parution en CD a été donné le 22
juillet 2006 dans le cadre des "Printemps Musicaux du Milieu du
Monde", au Château de La Sarraz, en Suisse.
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